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Ernest Hemingway "Der Garten Eden"


Prolog

Hemingway nun - der Nobelpreisträger von 1954 und bekannt geworden durch seine Novelle "Der alte Mann und das Meer". Fast gestolpert bin ich über eine ewig alte Ausgabe seines posthum 1986 veröffentlichten Romans "Der Garten Eden" - hier gelesen in einer Veröffentlichung des Aufbauverlages der DDR von 1989. Und keine wirkliche Ahnung mehr, warum dieser alte Schmöker - die Seiten vergilbt in einer hässlichen Taschenbuchausgabe - es schaffen konnte, nicht in der Bücherkiste auf dem Dachboden zu landen. Die Ausgabe ist noch in der DDR erschienen, und logo da auch von mir gekauft und gelesen, und darin - geheimnisvoll - sind 25 Dialoge von mir angestrichen. Also ein nostalgisches Intermezzo mit Hemingway...?

Handlung

Das von Hemingway unredigierte Manuskript beinhaltete ursprünglich über 1000 Seiten und wurde auf diese 262 Seiten vom Verlag Scribner's Sons, New York, und dem eher unerfahrenen Lektor Tom Jenks heruntergekürzt. Darin folgendes:

 

David und Catherine sind in den Flitterwochen in Frankreich und Spanien. Er ist gerade erfolgreich gewordener Schriftsteller, sie reiche Erbin und "Hausfrau". Ihr Leben, auch wenn sie in den Flitterwochen sind, hat eine gewisse Dekadenz an sich und passt so recht in die Vorstellung der goldenen 1920er Jahre: Es wird viel Alkohol getrunken (das Frühstück fällt schon mal aus und stattdessen gibt es einen Drink), es wird viel und gut gegessen, es gibt viel Sex - und dazwischen wird sich gesonnt, wird im Meer geschwommen, geangelt und geradelt. So weit, so gut, so harmonisch. Wenn nicht Catherine Lust an Überraschungen hätte. Das beginnt mit einem Umstyling ihrer Haare. Es geht weiter mit einem Geschlechterrollentausch zwischen ihr und David. Der Einbruch des Paradieses findet seinen Höhepunkt in der Öffnung ihrer Beziehung nach außen: Eine zufällige weibliche Bekanntschaft wird von Catherine in das Hotel eingeladen, wo sie und David residieren. Diese Konstellation glaubt Catherine zu beherrschen, entgleitet aber bald ihren Händen. 

Meine Kritik

Oh, die Dialoge – Hemingway war ein Meister darin. Sie lesen sich entweder so leicht und flüssig und als Liebesgeplänkel zwischen den frisch getrauten Eheleuten oder dann wieder so scharf und bissig, wenn die Menage a trois außer Kontrolle gerät. Fast alles und wiederum fast nichts lässt sich aus diesen Gesprächen herauslesen.

 

Meine Gedanken sind beim Lesen wie losgelassen: 


Mein Gedankenkarussell dreht sich: Warum hat David Catherine geheiratet? Redet er ihr nach dem Mund? Hat er sie viel zu früh aufgegeben? Und sehnt sich dabei schließlich nur nach seiner eigentlichen Liebe - dem Schreiben? Wird seine Frau ihm einfach mit ihren ständigen neuen Ideen zu anstrengend und ist er froh, in der neuen Frau eine für seine Arbeit verständnisvollere Partnerin zu finden? Wird Catherine wirklich verrückt? Oder ist es einfach der Kontrollverlust, die Eifersucht, die sie so - nicht ungelegen in den Augen der anderen - erscheinen lässt?

 

Ob "Garten Eden" nach den umfangreichen Kürzungen tatsächlich ein authentisches Werk von Hemingway geblieben ist, werden wir nicht herausfinden. So, wie es ist, lese ich aber heraus, wie wichtig Hemingway=David das Schreiben an sich war und es für ihn ein mit Disziplin und mit Leidenschaft ausgeführter Prozess darstellte. Herauslesbar ist für mich auch, wie wichtig ihm dabei die Frauen waren. Und zumindest dem David in dieser Geschichte unterliegen die Frauen einer gewissen Austauschbarkeit, so bald sie denn Schwierigkeiten machen und seinem Schreiben im Wege stehen. Auch die Reminiszenz an seinen Vater mit dem Rückblick auf eine Elefantenjagd in Afrika zeigt, wie sehr Hemingway sich selbst in dieser Geschichte spiegelt. 

 

Ergo

Geschliffene Dialoge überzeugen (verborgen bleibt, warum ich 25 davon vor fast dreißig ! Jahren anstrich.) Und: Der Leser sollte ein ganz aktiver sein und sich nicht von den Akteuren an der Nase herumführen lassen.

Ernest Hemingway, Der Garten Eden, Roman, Deutsch von Werner Schmitz, Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1989, 262 Seiten, ISBN 3-351-01746-4


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