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Ijoma Mangold "Das deutsche Krokodil"


Ja, so war's

Die Geschichte, wie ich zu diesem Buch gekommen bin, ist leicht umständlich. Im Sommer d. J. habe ich nach über zwanzig Jahren Abstinenz Claudia, meine Schulfreundin, mit ihrem Mann in Würzburg getroffen. Wie auch nicht anders von diesem Sommer zu erwarten - ein lauer Abend zum Draußensitzen, kurzweilig und neben dem Austausch von Erinnerungen und Neuigkeiten gespickt mit Kultur- und Leseempfehlungen ;-), von denen mir so manche schon abhandengekommen ist. Nicht so der Hinweis auf den YouTube-Kanal "Herbert liest". Im späten Herbst dann schaute ich in Folge 34 rein und notierte mir u. a. Ijoma Mangolds "Das deutsche Krokodil" zum baldigen Lesen, von dem Herbert (das ist Dr. Herbert Grieshop) als "dem schönsten Buch dieses Jahres" schwärmte, das ihn "total berührt" hat. 

Inhalt

Der "Zeit"-Literaturkritiker Ijoma Alexander Mangold, der Literaturfreunden u. a. auch über Fernsehsendungen wie "lesenswert" des SWR bekannt sein könnte, gibt mit "Das deutsche Krokodil" seine Autobiografie heraus, in der er seine Erlebnisse oder Nicht-Erlebnisse als Mischlingskind verarbeitet - als Sohn einer alleinerziehenden deutschen Mutter und eines nigerianischen Arztes, der kurz nach seiner Geburt dem Ruf seines Heimatdorfes folgend wieder nach Afrika zurückkehrt.

 

Ijoma Mangold wächst in Heidelberg auf und entdeckt - mit der kulturell interessierten Mutter und geprägt von der Bildung eines humanistischen Gymnasiums - seine Liebe zur Literatur und zur Sprache, und zwar zur deutschesten aller deutschen Musik und Literatur - Richard Wagner und Thomas Mann. Er verinnerlicht den Rat seiner Mutter, einer Kinder- und Jugendpsychotherapeutin, dass Kommunikation das Wichtigste im Leben sei und nimmt seine - deutsche - Sprache, so bald er den Mund aufmacht, als Schutzschild gegen jegliche Schubladen, in die er aufgrund seines Aussehens möglicherweise gesteckt werden könnte.

 

Er schreibt über diese Erfahrungen des Schwarzseins in einer weißen europäischen Welt, über sein Verhältnis zu seiner Mutter, über seine Kindheit und Jugend, über seine Eindrücke als junger Mann, als sein Vater nach 22 Jahren plötzlich in seinem Leben auftaucht, seinen Aufenthalt in den USA und seinen Besuch bei seiner Großfamilie in Nigeria...

Meine Kritik

Ijoma Mangolds Geschichte ist und bleibt eine Autobiografie.

 

Überzogen ausgedrückt: So sehr Mangold sich auch sprachlich gewandt ausdrücken kann, so wenig berühren mich seine Sprache und seine Geschichte. Sätze erstrecken sich manchmal über halbe Seiten  und sind gefüllt mit Wörtern aus der Bildungssprache. Im Mündlichen ist diese Sprache und wie er diese argumentativ einsetzt beeindruckend (siehe dazu beispielsweise srf Sternstunde "Was hat meine Herkunft mit mir zu tun" mit Barbara Bleisch vom 04.02.2018), aber im literarischen belletristischen Kontext empfinde ich sie als geschwollen (Beispiel: "... dass Töchter dynastisch in Wegfall kamen" S. 264). Diese Sprache steht, wie es mir erscheint, oft im Wege, Nähe zu seinen Leuten und zu seiner Geschichte herzustellen.

 

Einen fahlen Beigeschmack haben für mich die Kapitel über Tenno, einem Intellektuellen, der sich in einer Wohnung in Heidelberg gerne mit ausschließlich halbwüchsigen männlichen Gymnasiasten, darunter auch Mangold, umgab. Und das fast verherrlichende über die Odenwald-Schule, in dem kein einziges Wort über deren prekäre Geschichte fällt. Außerdem bin ich als DDR-Kind über die Abkürzung SBZ gestolpert...

 

Was mir gefällt ist, dass Mangold zum Ende des Buches die Relativität seiner Erinnerungen betont, besonders auch im Zusammenhang mit der posthumen Entdeckung der Briefe seiner Eltern... so ist es nur recht, dass "Das deutsche Krokodil" den Untertitel "Meine Geschichte" trägt.

 

Eine über weite Strecken lesenswerte und auch humorvolle Biografie, deren Teilgeschichten (Mutter-Sohn-Beziehung, Erfahrung mit Nigeria, dem ab- und dann plötzlich wieder anwesenden Vater, Erfahrungen mit einzelnen nigerianischen Familienmitgliedern und Zeremonien) ausbaufähig und damit romanwürdig wären. 

 

Ijoma Mangold, Das deutsche Krokodil, Meine Geschichte, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, Dezember 2018, 343 Seiten, ISBN 978 3 499 63216 7


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