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Angelika Klüssendorf "Jahre später"


Zwei Bücher später

Dies ist nun das Buch, das ich eigentlich lesen wollte und mich letztes Jahr auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis mit Titel und Inhalt angesprochen hatte. Der dritte Teil zum ersten "Das Mädchen" und dem zweiten "April" und damit Abschluss der Trilogie von Angelika Klüssendorf. 

Angelika Klüssendorf "Das Mädchen", "April" und "Jahre später"
Lese-Grundlage für "April" und "Jahre später": "Das Mädchen"

Inhalt

Als Kind und Jugendliche in "Das Mädchen", als junge Erwachsene in "April" erleben wir die Hauptdarstellerin nun Jahre später, wie der Titel sagt, genauer ab der Wendezeit 1989. Sie begegnet als mittlerweile gereifte, aber immer noch junge Frau Ludwig, einem erfolgreichen Chirurgen, einem Mann, der vor Selbstbewusstsein und Egozentrik strotzt, sie aber mit allen guten Mitteln umwirbt.

 

Sie gehen eine brennende, aber verbrennende Beziehung ein.

Niemand kann aus (s)einer Biografie raus

Wie mit einer Live-Kamera verfolge ich lesend die Beziehung zwischen April und Ludwig. Sie, die nach Zuneigung giert, aber immer wieder Empfindungsgewittern (S.121) unterliegt und er, ein sprunghafter Charakter mit narzisstischen Zügen - so ist es folgerichtig, was da passiert, kennt man Teil 1 (aber auch 2). Dass sich zwei derartige Individuen intensivst ins Rosarote und darüber hinaus verlieben und lieben und dann abstürzen - und doch bin ich erstaunt über die Wucht des Beschriebenen, vor allem dann natürlich, als das Geschehen in die zerstörerische und in die Endphase der Beziehung übergeht.

 

Es gibt nichts mehr hinzuzufügen (siehe meine Rezensionen zu Teil 1 und 2): Der ehrliche und schonungslose, nahezu dokumentarische Schreibstil von Frau Klüssendorf überzeugt mich auch hier zum Dritten und lässt mir als Leser wieder allen Freiraum zur Interpretation. April und Ludwig agieren - und Angelika Klüssendorf gelingt es, beider Handeln fast kommentarlos vor des Lesers Augen abspielen zu lassen - ohne einen ihrer Darsteller zu verurteilen.

 

Dass der Figur April auch in "Jahre später" vor allem immer noch eine desaströse Mutter-Tochter-Beziehung zugrunde liegt, erahnt man hier meist nur ansatzweise, findet man dann aber dennoch glasklar in solch gruseligen Sätzen wieder: "Wenn ihre Mutter Gefühle zeigte, ähnelte sie einer sentimentalen KZ-Aufseherin, die ein besonders hübsches Kind ins Gas schicken musste." (S.110) Jedes Mädchen will vielleicht im Laufe seines Tochterlebens wenigstens einmal "Nie wie Mutter werden!", aber mit diesem Vergleich erfährt ein derartiger Wunsch eine besondere Dimension.

 

Wie schon Teil 2 reicht auch Teil 3 für mich nicht an den ersten Teil "Das Mädchen" heran, aber überzeugt dennoch, deshalb vier von fünf Miezen.

Angelika Klüssendorf, Jahre später, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, 3. Auflage 2018, 157 Seiten, ISBN 978-3-462-04776-9


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