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Isabel Bogdan "Laufen"


Leseanlass

Dieses Buch Isabel Bogdan "Laufen" war eine Empfehlung der „Buchhandlung Dreizehneinhalb“ auf Facebook und ich habe es mir in Würzburg in diesem wunderschönen Buchladen gekauft. Das Buch an sich ist schon ein optisches und haptisches Erlebnis: schöner dezenter Einband, qualitativ hochwertiges Papier – das Buch duftet in den Händen und erst recht beim Aufschlagen: schöööön 😉!!


Inhalt

„Ich laufe mir die Grübelei weg, andere Leute laufen angeblich, weil sie dabei gut nachdenken können, ich kann an nichts anderes denken als an meinen Körper, ob er funktioniert, wie er funktioniert, …“ Vielleicht ist das der Vorsatz dieser Frau, die da läuft. Zu laufen, um sich und ihren Körper wieder zu spüren - ein Jahr nach dem Suizid, dem Freitod, dem Selbstmord ihres Mannes, und irgendwie, wenn das gelingt, sich freizulaufen. Doch: Die Grübelei kommt umso intensiver mit dem Laufen – 


Kritik

Eine bis zum Schluss namenlos bleibende Frau um die Vierzig läuft quasi immer wieder dieselbe Strecke in Hamburg um die Alster. Es gibt keinen Perspektivenwechsel, in diesem Buch gibt es konsequent nur die Geschichte dieser Frau, die läuft und läuft und - denkt und denkt.

 

Die Gedanken platzen ihr nur so in den Kopf, werden beim Laufen regelrecht im Auf und Ab der Bewegung durchgeschüttelt - die Sätze, Satzkonstruktionen erstrecken sich deshalb über manchmal die gesamte Seite, mit Wiederholungen – der Schreibstil ist also ganz dem Laufen der Protagonistin und ihrer verworrenen, durcheinander gewirbelten Gedankenwelt angepasst. Das mag auf den ersten Seiten beim Lesen einschränkend wirken, aber es erfüllt beim weiteren Lesen immer mehr den Zweck: Alles in ihr dreht sich um ihren Schicksalsschlag, der nicht zu begreifen, nicht zu verstehen, nicht verarbeitbar scheint und der sich dem Leser nur nach und nach erschließt: Sie hat ihren Mann verloren, durch einen Suizid.

 

Alle sich widerstreitenden Gefühle kommen auf: Wut und Trotz („Du blöder, blöder Trottel“, „Du Arsch“), Liebe und Trauer, Unverständnis, das Gefühl, allein gelassen zu sein („Aber aufgehoben war ich nicht mehr“) und immer wieder Schuldgefühle, „es“ nicht verhindert zu haben. Zu Anfang sind da ganz viele „Hätte“, „Könnte“, „Sollte“, „Bräuchte“… Die Beziehung wird im Rückblick reflektiert, beschönigt, dann auch festgestellt, dass sie ihre Grenzen hatte.

  

Isabel Bogdan lässt ihre Hauptfigur ihren Weg der Trauer gehen. Dies scheint nur und nur aus ihrem Kopf heraus möglich zu sein, nur aus ihrer Perspektive. Ja natürlich! Wie sonst.

  

Es ist dabei berührend zu lesen, wie die (Anti?)Heldin sich nach und nach befreit von diesem einen beherrschenden Thema, beginnt, wieder andere Dinge um sich herum wahrzunehmen, die tatsächlich dann auch mal nichts mit ihrem Mann zu tun haben. Immer wieder blitzt auch eine Portion Humor durch. Bei allem begreift Isabel Bogdans Figur in diesem ganzen Prozess: So viele um sie herum denken, das Erlebte müsste für sie überwunden sein, an irgendeinem Zeitpunkt, den ein Teil der Umwelt glaubt, festlegen zu müssen, aber das wird nie so sein…


Isabel Bogdan, Laufen, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 1. Auflage 2019, 200 Seiten, ISBN 978-3-462-05349-4

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