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Michael Göring "Dresden"


Worum geht es?

Fabian aus Köln besucht als junger Mann erstmals 1975 eine befreundete Familie in Dresden. Er lernt Land und Leute kennen und lieben und erfährt viel mehr als nur das Schwarz-Weiß-Bild, das sein Vater ihm von der Ostzone gezeichnet hat. 

 

Regelmäßig kehrt er nun zurück und es entsteht eine enge Verbindung zwischen ihm und der Familie Gersberger, insbesondere zur Tochter Anne fühlt er sich hingezogen. Mehr und mehr wird er mit den Möglichkeiten und Nicht-Möglichkeiten vertraut, die das Leben in der DDR zu bieten oder eben nicht zu bieten hat. 


Mieze-Meinung zu Michael Göring "Dresden"

Beginn und Ende des Romans ranken sich um den 01. Oktober 1989. Kai, der Sohn der Gersbergers, befindet sich in einem der Züge, die an diesem Tag ihn und viele weitere BRD-Botschaftsflüchtlinge von Prag nach Hof fahren – über DDR-Gebiet und mit einer Durchfahrt durch den Dresdner Hauptbahnhof.

 

Ich kann mich noch gut erinnern – wohnhaft damals circa 40 Kilometer von Dresden entfernt - wie skeptisch wir waren, ob das „gut geht“, „ob die wirklich einfach so durchgelassen werden“, ob also diese Züge ohne Zwischenfälle, ohne Eingreifen des Sicherheitsdienstes der DDR, „einfach so“ durch Dresden und durch das Gebiet der DDR fahren dürften. Aber: Es ist tatsächlich so passiert!

Michael Göring "Dresden"
Michael Göring "Dresden"

Michael Görings „Dresden“ zeigt DDR-Geschichte mit Lokalkolorit von Dresden und Umgebung im Zeitraum zwischen 1975 und eben diesem Oktober 1989 auf.

 

Die Darstellung am Beispiel der Dresdner Familie Gersberger ist sehr genau und so oder ähnlich typisch - mit all den Einschränkungen, mit den Widrigkeiten, mit den Arrangements, die man persönlich und familiär mit den gesellschaftlichen Umständen getroffen hatte. Sie gibt einen weiten Überblick über Lebens- und Arbeitszustände bzw. -situationen in der DDR und im Verhältnis zur BRD. Vieles, was ich - selbst Kind und Jugendliche der DDR - erlebt oder indirekt miterlebt habe, habe ich im Roman wiedergefunden.

 

Michael Görings Erzählstil ist ruhig und gleichmäßig und ohne große Höhepunkte, so dass ich das Geschehen zwar interessiert und bestätigend verfolge, aber dadurch auch für keine der Figuren echtes Mitgefühl oder Leidenschaft entwickle. Viel wird erklärt, erläutert, beschrieben, zu wenige Situationen und Emotionen werden einfach nur aufgezeigt. Und die Liebesgeschichte zwischen Fabian und Anne ist als solche kaum erkennbar.

 

Möglicherweise bin ich zudem viel zu sehr mit dem Herzen in dieser Landschaft verhaftet und hatte dadurch den (zu hoch gesetzten) Anspruch, diese Verbundenheit bei der Lektüre des Buches wiederzufinden. 

 

Empfehlenswert bleibt Michael Görings "Dresden" trotz vorgebrachter Kritik allemal, um zum einen deutscher Geschichte nachzuspüren und dann aber auch Anreiz zu finden, die beschriebene Gegend elbauf- und abwärts und rund um Dresden zu erkunden.


Michael Göring, Jahrgang 1956, ist in Westfalen geboren. Von ihm erschienen bereits vier Romane, zuletzt 2018 bei Osburg Hotel Dellbrück. Für sein schriftstellerisches und geisteswissenschaftliches Werk erhielt Michael Göring 2019 den Dr. Günther Buch-Preis. Göring leitet die gemeinnützige ZEIT-Stiftung und unterrichtet Kultur- und Medienmanagement an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. (Umschlagtext)


Michael Göring, Dresden, Roman einer Familie, Osburg Verlag Hamburg, Erste Auflage 2021, 302 Seiten, ISBN 978 3 95510 243 2

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