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Jana Simon "Sei dennoch unverzagt"


Die väterliche Christa-Wolf-Sammlung beinhaltet, würde ich mal so behaupten, nahezu alles, was jemals von Christa Wolf zu Lebzeiten oder posthum veröffentlicht wurde. Ich hatte also in jungen Jahren schon umfangreichen Zugang zu ihren Büchern, das eine (Nachdenken über Christa T.) oder andere (Störfall, Sommerstück) auch schon gelesen, an vieles nicht rangetraut oder auch abgebrochen (Kassandra). Mit meinen Eltern somit aber Vorbilder, die die Autorin und ihre Werke fast schon, darf ich sagen, verehrten. Somit beschreibt es auch generell den Status, den viele Schriftsteller*innen und auch andere Künstler*innen, die schriftlich arbeiteten, in der DDR hatten. Romane und Texte waren oftmals Transportmittel, um Dinge zwischen den Zeilen zu sagen, die man öffentlich und direkter aufgrund zu erwartender Repressionen nicht hätte aussprechen können.


In Jana Simons Buch „Sei dennoch unverzagt“ interviewt die Enkelin nun ihre Großeltern Christa und Gerhard Wolf. Die Gespräche beginnen 1998, Jana Simon ist 25, Christa und Gerhard Wolf sind beide 69.  16jährig bekommt Jana Simon von ihrer Oma ihr bis dahin – 1988 - erschienenes Gesamtwerk unter den Weihnachtsbaum gelegt. Lies mal!

 

Jana Simon: Ich weiß gar nicht viel über euch, über eure Vergangenheit.

Christa Wolf: Dann lies einfach „Kindheitsmuster“! (S. 15)

 

So wirkt der Einstieg zum ersten Interview fast wirsch - und es ist dann auch erst einmal Gerhard Wolf, der das Antworten übernimmt. 

Zum Glück öffnet sich auch Christa Wolf mehr und mehr. Und so entwickelt sich aus den sechs Sitzungen, zwischen denen auch viele Jahre Pause liegen, das, was Interviews ausmachen: ein authentisches und ehrliches, unverfälschtes Bild eines gleichgestellten (!) Paares und der Menschen Gerhard und Christa Wolf und ihres Lebens, Schaffens, des Haderns und Zweifelns mit und in der DDR und mit den Entwicklungen nach der Wende.

 

Besonders trifft es Christa Wolf in dieser Phase, dass sie von Marcel Reich-Ranicki als „Staatsschreiberin“ tituliert wird, und wenn eines aus diesen Interviews hervorgeht, dann ist es, dass es sich Christa und Gerhard Wolf nicht leicht gemacht haben, dass sie bald begonnen haben, den schiefen Entwicklungen der Bevormundung und Vereinheitlichung in der DDR entgegenzutreten.

 

Dass für sie und Gerhard Wolf dennoch ein Weggehen aus diesem sozialistischen Staat trotz Rundumüberwachung nicht in Frage kam, weil die westliche Seite ihnen nicht als wirkliche Alternative erschien, nimmt man ihnen ab. Wie dringlich der DDR-Staat und die SED die auch in Westdeutschland hoch anerkannte Schriftstellerin aus taktischen Gründen gebraucht hat, sieht man an der Tatsache, dass man sie trotz mehrfachen Wunsches nicht aus der Partei ausschließen wollte.

 

Interessant werden die Interviews auch, wenn in Diskussionen Generationenunterschiede offen werden. Ob bei der Wahl der Freunde in zwingender Abhängigkeit ähnlicher politischer Ansichten, sei es bei der Nutzung moderner Technik fürs Schreiben oder bei einer eher eurozentrierten oder kosmopolitischen Einstellung.

 

Da ist jedoch letztendlich keine Verbitterung ob der negativen Erfahrungen in der DDR und der Offenbarungen nach ihrem Zusammenbruch erkennbar, da wird von Seiten des Ehepaars Wolf immer auch der Mensch hinter den manchmal wirren Entscheidungen und Haltungen gesehen. Das macht das Lesen dieses auch sehr persönlichen, familiären Austausches besonders wertvoll und sympathisch!


Jana Simon, Sei dennoch unverzagt, Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf, Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2013, 281 Seiten, ISBN 978 3 550 08040 1

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