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Carsten Henn "Der Buchspazierer"


Hinter dem „Buchspazierer“ verbirgt sich ein über 70jähriger langjähriger Mitarbeiter der Buchhandlung am Stadttor, der auf seine alten Tage Abend für Abend Bücher zu Kunden trägt, die aus verschiedensten Gründen ihr Haus nicht mehr verlassen wollen oder können. Eines Tages gesellt sich in seiner Runde die neunjährige Schascha zu ihm.


Menschen, die gerne lesen, haben den Namen einer Romanfigur verdient. (S. 57)

Carsten Henn "Der Buchspazierer"
Carsten Henn "Der Buchspazierer"

Die Junge wirbelt die eingefahrene Welt des Alten - seine Uhr ist schon zwanzig Jahre stehengeblieben - gehörig durcheinander, und auch wenn er sich zunächst ein wenig ziert, lässt Carl Kohlhoff mehr und mehr ihre Ideen gewähren, sieht zu, wie Schascha in Eigeninitiative Kundenwünsche über den Haufen wirft und mit kindlichem Gespür hinter die Fassade der Häuser schaut. Auch wenn der Büchernarr nicht unzufrieden mit seinem Trott war, spürt und nimmt er die belebende Wirkung der jungen Begleiterin an – auch im Sinne seiner Kunden… und schließlich wird ihm selbst die Bekanntschaft dieses neugierigen Mädchens zum rettenden Anker.

 

Diese Geschichte um den etwas seltsamen, etwas aus der Zeit gefallenen, aber herzensguten Carl Kohlhoff liest sich wie ein modernes Märchen und interpretiere ich als eine uneingeschränkte Hommage an die Branche der traditionellen Buchhändler*innen und Buchhandlungen und natürlich an die Welt der Bücher, der „Freunde aus Papier“. Diese - Kohlhoffs - Liebe geht sogar so weit, dass er seinen Kund*innen Namen von Romanfiguren gibt, wie „Der Vorleser“, „Frau Langstrumpf“ oder „Effi“. Gleichzeitig setzt Carsten Henn mit seiner Hauptfigur ein Denkmal für die besondere Art derjenigen Dienstleister*innen, die sich mit passionierter Hingabe und Detailversessenheit der Erfüllung jedes noch so einzigartigen Wunsches ihrer Kunden widmen.

 

Als Liebhaberin des fränkischen Silvaners öffnet sich mein Herz natürlich noch ein Stück weiter für dieses Büchlein, wenn Kohlhoff zum Bocksbeutel eben dieser Rebsorte und sogar noch der Lage Würzburger Stein greift. Hier sickert Carsten Henns anderer beruflicher Hintergrund neben der Schreiberei durch 😊 - und schließlich taucht auch noch „Die souveräne Leserin“ by Alan Bennett darin auf! Was braucht es noch mehr! Ach ja, freilich: eine Katze! Gibt es auch.

 

Ein Buch, das guttut, das man als Buchmensch einfach mal genießen sollte und auf das man sich in bummelnder Weise einlassen darf.

 

P.S. Weißt du, die Menschen vergessen immer mehr zu lesen. Dabei sind Menschen zwischen den Deckeln, ihre Geschichten. In jedem Buch ist ein Herz, das zu pochen beginnt, wenn man es liest, weil das eigene Herz sich mit ihm verbindet. (S. 46)


Aus der Klappe: Carsten Henn arbeitete nach seinem Studium zunächst als Radiomoderator und jobbte in der Wein- und Käsehandlung einer kleinen Stadt. Heute ist er freier Weinjournalist für nationale und internationale Magazine und als Restaurantkritiker tätig. Er veröffentlichte erfolgreiche Kriminalroman-Reihen, Liebeskomödien, Theaterstücke sowie ein Bilderbuch und erhielt für seine Arbeiten mehrere Literatur-Auszeichnungen.


Carsten Henn, Der Buchspazierer, Pendo Verlag in der Piper Verlag GmbH, München 2020, 16. Auflage 2021, 224 Seiten, ISBN 978 3 86612 477 6

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