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Bov Bjerg "Auerhaus"


In den 1980ern im Schwäbischen. Im „Auerhaus“ findet sich eine Gruppe 18jähriger Jugendlicher zusammen.

 

Was sie eint ist zum einen der Wunsch nach einer ersten Unabhängigkeit vom Elternhaus, der mit dem Einzug in die WG erfüllbar scheint.  Jede/r plagt sich zudem mit den mehr oder weniger typischen Fragen des Alters und der Zeit: Schaffe ich die Schule? Was mache ich danach? Gehe ich zum Bund? Oder entscheide ich mich doch für den Zivildienst? Wie läuft es mit der ersten Liebe? Sie haben also noch alles vor sich. Und - da ist: Frieder. Der eigentliche Auslöser, um die WG zu gründen. Auf den die Gemeinschaft aufpassen will. Den sie retten will. Den selbstzerstörerische Gedanken umtreiben. Der es auch schon versucht hat… 


Bov Bjerg "Auerhaus"
Bov Bjerg "Auerhaus"

Bov Bjerg gelingt es aus dem Blickwinkel des Ich-Erzählers Höppners gut austariert die ambivalente Stimmung im „Auerhaus“ einzufangen. Seine jugendlich schnodderige und humorige Erzählweise fängt das (junge) Leben im „Auerhaus“ authentisch ein, das frisch und oft unbedarft daherkommt, und ebenso bunt zu erleben ist wie die Mischung der Bewohner und Besucher des „Auerhaus“ es auch ist. Die Oberschüler, der Auszubildende, die „Verrückten“ aus der „Klapse“, die Schwulen…

 

Genauso erfährt man durch Höppners Augen, dass andererseits die Sorge und Auseinandersetzung um Frieder die Leichtigkeit ihrer Lebensphase immer wieder durchkreuzt und sie sich dieser Verantwortung, die sie mit ihrer Wohngemeinschaft rund um den Freund gewählt haben, auch bewusst sind...  So bleibt für mich das Finale der Geschichte lange offen.

 

Ein Roman, der auch deshalb gelungen ist, weil der Autor bei all seinen unterschiedlichen Charakteren ist, ihre Hintergründe und damit auch die Vielfalt der Ausgangspunkte im Leben am Scheidepunkt Schule/Berufsleben aufzeigt und ihre Fehlbarkeit respektiert.

 

Bov Bjerg stand 2020 mit seinem Roman „Serpentinen“ auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis. Es wird also eine Folgelektüre geben. Garantiert!

 

P.S. Namensgebend für die Wohngemeinschaft - Auerhaus - war der 1983 erfolgreiche Song "Our house" von Madness.


Aus der Klappe: Bov Bjerg, geboren 1965, Studium in Berlin, Amsterdam und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig: Linguistik, Politik, Literatur. Er gründete mehrere Lesebühnen, u. a. das Mittwochsfazit und die Reformbühne Heim & Welt. Mit dem Mittwochsfazit gewann er den Deutschen Kabarettpreis, solo den MDR-Literaturpreis. 2008 erschien sein Debütroman DEADLINE. Er lebt in Berlin.


Bov Bjerg, Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin, 5. Auflage 2015, 235 Seiten, ISBN 978 3 351 05023 8

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