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Fjodor Dostojewski / Anna Dostojewskaja "Ich denke immer nur an dich"


Ich liebe Interviews. In Zeitschriften oder der Tageszeitung suche ich sie regelrecht und lese sie meist als erstes. Irgendwann wurde ich mir dieses „Verhaltens“ bewusst, es liegt für mich in der Authentizität und Wahrhaftigkeit dieses Frage-Antwort-Spiels begründet, in der – hoffentlich - unverfälschten Art und Weise, wie damit Inhalte transportiert werden können. Im günstigsten Fall entwickeln sich die Fragen und Antworten im Gespräch erst wirklich und geben so viel auch indirekt über das Gesagte des Interviewten hinaus (und den Interviewer eingeschlossen) preis. 

 

Nun bin ich weiter dem Briefwechsel verfallen. Was irgendwie logisch erscheint: Angefangen hat es mit der erneuten Lektüre von Wolf/Reimanns „Sei gegrüßt und lebe“. Diese (Brief)Freundschaft hat unerwartet viel mit mir gemacht. Zum einen erhielt ich wie beiläufig über viele Fakten und Geschehnisse ein gutes Gespür für die damalige Zeit, aber auch Befindlichkeiten, kleine Lästereien, scheinbare Nebensächlichkeiten erzählten so viel mehr über die Persönlichkeiten der beiden Schriftstellerinnen als eine Doku es vermag. Das waren ehrliche und authentische schriftliche Gespräche, und - wenn man/frau so will - war das auf eine Art auch ein Interview, nur halt so intim, weil nur genau zwischen zwei Personen und in erster Instanz nicht unbedingt für die Öffentlichkeit, eben nur für gerade diese zwei Personen gedacht. Wahre Schätze. 

Dostojewski / Dostojewskaja "Ich denke immer nur an dich"
Dostojewski / Dostojewskaja "Ich denke immer nur an dich"

Es folgten Reimann/Weinhofen mit „Und grüß mir Amsterdam“. Und jetzt bin ich durch eine Instagram-Empfehlung auf den Briefwechsel zwischen Anna Dostojewskaja (1846-1918) und Fjodor Dostojewski (1821-1881) gestoßen, herausgegeben 2021 vom Aufbauverlag aus Anlass des 140. Todestages und des 200. Geburtstages des Schriftstellers und in der Übersetzung von Brigitta Schröder.

 

Der Briefwechsel dokumentiert die Jahre 1866, kurz vor ihrer Hochzeit, bis 1881, dem Todesjahr Dostojewskis. Anfangs ist vor allem seine Spielsucht mit immer wieder einhergehenden Geldforderungen an seine Frau Thema, der sie mit scheinbar unerschütterlicher Gelassenheit nachkommt. So wie das Geld, oft auch für andere Zwecke gedacht, bei Dostojewski eintrifft, verspielt er es. 

„… ich küsse dich bis zum letzten Atom…“ (S. 227)

Im Weiteren werden viele Briefe während Dostojewskis mehrfachen Kuraufenthalten zwischen Bad Ems und Staraja Russa, dem Wohnort der Familie, gewechselt. Hier stehen zum einen die gegenseitige Sorge um die Gesundheit und das Wohlergehen des anderen im Vordergrund. Die Briefe sind zudem Zeugnisse einer großen Liebe, sie beteuern sich diese gleichermaßen immer und immer wieder und – besonders von Fjodors Seite sehr leidenschaftlich, der eher menschenscheu wirkende und auch gern austeilende Dostojewski ist seiner um einiges jüngeren Frau völlig und glaubwürdig ergeben. Die Beschreibungen und die Sorgen um die gemeinsamen Kinder sind in vielen Zügen den heutigen ähnlich. 

 

Berührende und so ehrliche Dokumente, mit denen ich Familie Dostojewski in immer wieder schwierigen Zeiten begleiten konnte: immer wieder finanzielle Engpässe trotz der schriftstellerischen Erfolge, Schicksalsschläge wie der Verlust des dritten Kindes Alexej, gesundheitliche Probleme (neben dem Lungenleiden litt Dostojewski auch an Epilepsie) und damit verbunden das häufige Auseinanderreißen der Familie, das insbesondere Fjodor sichtlich auch psychisch zusetzt.

 

Ein Briefwechsel, der natürlich Anlass sein wird, nach langer, langer Zeit endlich wieder mal einen Dostojewski zu lesen. Unbedingt!

 

Und: Die Suche nach dem nächsten Briefwechsel hat begonnen. Empfehlt Ihr einen?


Fjodor Dostojewski / Anna Dostojewskaja "Ich denke immer nur an dich", Eine Liebe in Briefen, Aus dem Russischen von Brigitte Schröder, Aufbau Verlage GmbH & Co. KG, Berlin, 1. Auflage 2021, 333 Seiten, ISBN 978 3 351 03928 8

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