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Gabriele von Arnim "Das Leben ist ein vorübergehender Zustand"


Was für ein Buch! Was für ein Bericht! Was für eine Geschichte! 

 

Eine Geschichte, die das Leben schreibt, wie man so schön sagt (und doch wieder nicht). Denn die Autorin Gabriele von Arnim erzählt – ja! - die Liebesgeschichte zwischen ihrem Mann und ihr selbst. Die: beendet ist und erneut beginnt, nämlich und ausgerechnet in dem Moment, als sie ihn eigentlich verlassen will und er kurz hintereinander zwei Schlaganfälle erleidet. Dem ehemals beredten und eloquenten Journalisten Martin Schulze, an den Rollstuhl gefesselt, bleibt einzig ein klarer Verstand, aber eine verwaschene, unartikulierte Sprache, die nur oder fast nur sie versteht…


Vor der Krankheit hatte sie Angst, ihn zu verlassen. In der Krankheit hat sie jeden Tag Angst, ihn zu verlieren. (S. 141)

Gabriele von Arnim "Das Leben ist ein vorübergehender Zustand"
Gabriele von Arnim "Das Leben ist ein vorübergehender Zustand"

Der Rückblick auf die zehn gemeinsamen Jahre, die ihnen beide ab da noch bleiben, ist stark, wahrhaftig, tief, ist hoch emotional und poetisch und gleichzeitig so rational, so reflektiert beleuchtet - und nur durch diese Kombination aus Gefühl und Verstand entwickelt sich eine so gleichmäßig kluge, dichte und bejahende Überzeugungskraft ihrer Erfahrungen, dass ich ständig nicke und still Ja sage und Genau so, ganz logisch beim Lesen vor mich hinmurmle.

 

Ihre Erlebnisse in dieser Zeit sind ein Taumel, ein Auf und Ab zwischen Hingabe, Selbstaufgabe und Zweifeln, zwischen Kümmern, Fürsorge und Überforderung, zwischen taktlosen Freunden und dem Zugewinn einer neuen Gemeinschaft (nämlich der Vorleser), zwischen Fluchten und Flüchten und Flüchen.

 

Keine Sequenz, kein Satz ist daraus zitierbar, nein, weil diese 233 Seiten sind von der ersten bis zur letzten lesens- und empfehlenswert und sind nur in der Gänze zu verstehen.

 

Und ein Wort schwebt über allem, das Gabriele von Arnim beschreibt, es sei hier groß und fett hervorgehoben:

 

WÜRDE.

 

Was bei diesem schweren Inhalt nebenbei ein bisschen untergehen mag, ist die enorme sprachliche Ausstrahlungskraft dieses Textes, der wie nebenbei garniert ist mit allerlei interessanten Literaturempfehlungen.

  

Ganz großartig! 


Gabriele von Arnim wurde 1946 in Hamburg geboren. Sie hat studiert, promoviert und zehn Jahre als freie Journalistin in New York gelebt. Danach schrieb sie u. a. für die ZEIT und die SÜDDEUTSCHE, den BR und WDR und arbeitete als Moderatorin für ARTE, den SDR/SWR und das SRF. Sie schreibt Rezensionen für Zeitungen und Hörfunk, moderiert Lesungen, hat mehrere Bücher veröffentlicht und lebt in Berlin.


Gabriele von Arnim, Das Leben ist ein vorübergehender Zustand, Rowohlt Verlag, 4. Auflage, Hamburg 2021, 233 Seiten, ISBN 978 3 498 00245 9

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Kommentare: 1
  • #1

    Janchen (Donnerstag, 16 Juni 2022 22:51)

    So sind Frauen und ihre Bücher.