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Elizabeth Strout "Die langen Abende"


„Die langen Abende“ von Elizabeth Strout ist keine (Lese)liebe auf den ersten Blick… Die Handlung wurde eröffnet durch einen mir grundunsympathischen Darsteller – Jack Kennison, einen selbstgefälligen, emeritierten Harvard-Professor, sie plätscherte dann lange ohne große Höhepunkte vor sich hin und war durchzogen von immer wieder überraschenden Zeitsprüngen. 

 

Der Roman besteht aus dreizehn Kapiteln, die durchaus als eigenständige Geschichten stehen könnten – sie stellen jeweils eine/n Bewohner*in oder eine Familie der fiktiven Kleinstadt Crosby im U.S. Bundesstaat Maine in den Mittelpunkt, werden aber zusammengehalten durch Olive Kitteridge. Sie taucht mal als Nebenfigur auf, mal steht sie selbst im Zentrum, ihr Leben wird in etwa einer Altersdekade zwischen Anfang 70 und Anfang 80 beschrieben.


Elizabeth Strout "Die langen Abende"
Elizabeth Strout "Die langen Abende"

Dennoch! Ab einem bestimmten Zeitpunkt, der sich schwer fixieren lässt, mochte ich Elizabeths Strouts Blick auf die Leutchen dieser Kleinstadt – vor allem, dass sie es verstand, ihre Schwächen in Liebenswürdigkeiten umzukehren – ja… und Anteil daran hatte halt oft Olive Kitteridge. Die allseits bekannte, ehemalige Mathelehrerin, mehr respektiert als geliebt, forsch und geradeheraus, eher Einzelgängerin als Herdentier, aber dann doch von so manchem in Crosby durchschaut: harte Schale, weicher Kern!

 

Ab dem Knackpunkt hielt mich Crosby schließlich fest bei sich. Strout führte mich in einer leicht zu lesenden Sprache und unversehens bis zum letzten Kapitel. Bis dahin – und das hat wiederum mit Olive zu tun - hatte ich sogar das „Ekel“ Jack (sorry) irgendwie liebgewonnen. Na so was!

 

P.S. „Mit Blick aufs Meer“ ist der Vorgängerroman zu „Die langen Abende“. Im Original „Olive Kitteridge“ und „Olive, again“. Teil 1 muss man nicht zwingend für Teil 2 gelesen haben. Ich werde es aber gewiss nachholen.

P.P.S. Was bedeuten schofel, schurigeln, schmurgeln im amerikanischen Englisch? Übersetzerin Sabine Roth wird es wissen…

P.P.P.S. Zur Einordnung (z. B. für Jana… 😉) – mit meinem alten Bewertungssystem hätte „Die langen Abende“ drei und eine halbe von fünf Miezen erhalten. 


Elizabeth Strout wurde 1956 in Portland, Maine, geboren und wuchs in Kleinstädten in Maine und New Hampshire auf. Sie hat mehrere Romane veröffentlicht, die alle Bestseller waren. Für "Mit Blick aufs Meer" bekam sie 2009 den Pulitzerpreis. "Die Unvollkommenheit der Liebe" wurde für den Man Booker Prize 2016 nominiert, "Alles ist möglich" 2018 mit dem Story Prize ausgezeichnet. Ihr neuer Roman "Die langen Abende" erscheint in 17 Ländern. Elizabeth Strout lebt in Maine und New York City.

Sabine Roth, geb. 1963 in München, Literaturstudium in München, Toronto, Canberbury und Oxford, hat Werke von u.a. Jane Austen, John le Carré, Hilary Mantel und V.S. Naipaul übersetzt.

(Aus der Klappe)


Elizabeth Strout, Die langen Abende, Roman, Aus dem Amerikanischen von Sabine Roth, Luchterhand Literaturverlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, 1. Auflage 2020, 349 Seiten, ISBN 978 3 630 87529 3

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