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Marianna Kurtto "Tristania"


Marianna Kurtto siedelt ihren Roman 1961 in der exponierten Lage von Tristan da Cunha, der Hauptinsel innerhalb der gleichnamigen Inselgruppe im Südatlantik an: nur 98 km² groß, fast kreisrund, darauf ein Vulkan und etwa 240 Bewohner, Entfernung zur brasilianischen und zur südafrikanischen Küste jeweils rund 3000 km…!


Woher weiß man, wohin man gehört? (S. 74)

Marianna Kurtto "Tristania"
Marianna Kurtto "Tristania"

Ihre Figuren fechten ganz ähnliche Kämpfe aus wie jene, die auf dem Festland oder näher dazu wohnen: Sie gründen Familien oder nicht, sie zweifeln, sie verbergen Geheimnisse und betrügen, sie reden nicht miteinander, sie bleiben einander fremd und: sie haben Fernweh… und sind in ihrer Bindung und in ihrem Verhaftetsein an die Insel von einer besonderen Ambivalenz gesteuert.

 

Der Vulkanausbruch im Oktober 1961 zwingt sie, ihre Insel zu verlassen und lavagleich strömen aus den Menschen in Abhängigkeit der situationsbedingten Umstände Entscheidungen, Offenbarungen und Entwicklungen, die lange schon geschlummert und vor sich hin gegärt haben…

 

Atmosphärisch, melancholisch und still – so empfand ich Marianna Kurttos Erzählweise. Unaufgeregt war das Auftreten der Hauptfiguren, introvertiert und eigen beschreiben viele ihrer Verhaltensweisen, ihre Zerrissenheit und Unentschiedenheit fand ich absolut  authentisch. Das Meer schaffte oftmals eine Sinnlichkeit, die auf die Kargheit und Einsamkeit des Insellebens traf.

  

Eine absolute Leseempfehlung, auch dank der überzeugenden Übersetzung aus dem Finnischen von Stefan Moster, ja, ein Highlight!


Aus der Klappe:

MARIANNA KURTTO, geboren 1980 in Helsinki, lebt seit einigen Jahren auf dem Land, als Writer in Residence im Haus der Schriftstellerin Eeva Joenpelto. In Finnland erschienen von Kurtto bisher fünf Gedichtbände und zwei Romane. sie wurde mit diversen Literaturpreisen ausgezeichnet. Ihr Debütroman Tristania wurde für den Preis des Nordischen Rates nominiert, in mehrere Sprachen übersetzt und ist ihr erstes Werk, das auf Deutsch erscheint.

 

STEFAN MOSTER, geboren 1964 in Mainz, lebt als Autor und Übersetzer in Berlin und im finnischen Porvoo. Er unterrichtete an den Universitäten München und Helsinki; 2001 erhielt er den Staatlichen finnischen Übersetzerpreis. Er übertrug u.a. Werke von Petri Tamminen, Rosa Liksom, Selja Ahava und Daniel Katz ins Deutsche. Seine Übersetzung von Volter Kilpis Im Saal von Alastalo (mare 2021) wurde für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.


Marianna Kurtto, Tristania, Aus dem Finnischen von Stefan Moster, mareverlag, 1. Auflage Hamburg 2022, 304 Seiten, ISBN 978 3 86648 656 0

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