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Christine Wolter "Die Alleinseglerin"


Allein. Segeln. Leinen los. Wind und Wetter spüren. Selbst, allein entscheiden, wohin es geht. Unabhängigkeit. Freiheit atmen… 

 

In Christine Wolters Roman „Die Alleinseglerin“ erinnert sich eine Frau, nun in Mailand wohnhaft, an ihre Zeit als junge Studentin und Literaturwissenschaftlerin, als sie das Segelboot dem Vater abkauft und nach seinem Tod um dessen Erhalt kämpft.  


Christine Wolter "Die Alleinseglerin"
Christine Wolter "Die Alleinseglerin"

Mit großer Naivität und in verklärter Erinnerung übernimmt Almuth das Boot, einen Drachen, und erfährt nach und nach die Folgen, die sie mit der Übernahme eingegangen ist. Die finanzielle Dimension als alleinerziehende Mutter zu stemmen ist die eine Herausforderung, unterschätzt hat sie aber auch den Zeitaufwand, der für Instandsetzung und Materialbeschaffung (DDR-Alltag!) anfällt. Der angestrebte Verkauf gestaltet sich gleichfalls schwierig. Wie eine „Leibeigene des Bootes“ (S. 93) fühlt sie sich.

 

Der gleichmäßige Rhythmus und die geradlinig-nüchterne Erzählweise des Romans sind ganz auf die Hauptdarstellerin, ihre Wahrnehmung und das Sujet des Segelns ausgerichtet. Das zähe und trotzig wirkende Ringen der Alleinseglerin übertrug sich auf mein Leseverhalten - ich war nicht hingerissen, nicht leidenschaftlich dabei. Ich genoss den See, das Seegrundstück, die Natur drumherum, die die Autorin so klar beschreibend in Szene setzt. Ich beobachtete und litt mit der jungen Frau, wie sie Wochenende für Wochenende mit den verborgenen Widrigkeiten kämpft, die das Boot Schicht für Schicht wie beim Abtragen des Bootslacks freigibt. Aber sie blieb mir unnahbar und in ihrer Auseinandersetzung mit sich, dem Vater, der Vergangenheit, dem Leben auf Distanz. Dennoch wollte ich, wie Almuth die Bootsangelegenheit, die Lesesache zu Ende bringen…

     

Freiheit ruht und beginnt in und mit uns selbst. So war ich erleichtert und mit ihr befreit, als sie erkennt: „Aber ich habe wirklich geglaubt, das Boot mache mich zum Sklaven, und dabei war ich es selbst.“ (S. 180) 


Christine Wolter wurde 1939 in Königsberg/Kaliningrad geboren. Nach der Flucht aus Ostpreußen 1944 kam ihre Familie 1950 nach Ostberlin. Sie studierte Romanistik, war Lektorin im Aufbau-Verlag und ist freiberufliche Übersetzerin, Herausgeberin und Schriftstellerin. Christine Wolter schreibt Erzählungen, Romane und Lyrik, darunter den Bestsellerroman Die Alleinseglerin, der 1982 erschien und von der DEFA verfilmt wurde. 1978 zog sie nach Italien und lebt heute bei Mailand und in Berlin.


Christine Wolter, Die Alleinseglerin, Neuausgabe, Ecco Verlag in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, 1. Auflage 2022, 206 Seiten, ISBN 978 3 7530 0073 2

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