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Miriam Meckel "Brief an mein Leben"


„Der moderne Mensch hat ein neues Laster erfunden: die Geschwindigkeit.“ Ja. Ich bin ganz bei dem britischen Schriftsteller Aldous Huxley (1894-1963), von dem dieses Zitat stammt. Geschwindigkeit, Schnelligkeit und Gehetztsein bestimmen unser Leben in vielen Bereichen. Erhöhte Mobilität in der Bewegung und in der Kommunikation machen es möglich. Hinzu kommt: Du musst! Wir müssen! Funktionieren (welch schlimmes Wort!). Druck. Erwartungen. Oftmals kaum möglich noch zu differenzieren, was wir selbst (mal) woll(t)en. Weil: Das „Ich muss“ ist auch meist da.


Miriam Meckel "Brief an mein Leben"
Miriam Meckel "Brief an mein Leben"

In diesen Strudel ist auch Miriam Meckel geraten, die in ihrem Buch „Brief an mein Leben“ ihre „Erfahrungen mit einem Burnout“ beschreibt. „Ich war fünfzehn Jahre um die Welt gereist, hatte gearbeitet, geredet, geschrieben, akquiriert, repräsentiert, … Und das meiste von dem, was ich gemacht habe, hat mir tatsächlich Freude gemacht …“ Trotzdem klappt sie zusammen. Und schreibt nun aus ihrem „medizinischen Stubenarrest“ in einer Klinik…

 

Die Autorin hat es mir nicht leichtgemacht: Der Titel „Ein Brief an mein Leben“ assoziiert einen sehr persönlichen Text. Was ich bekam war geschrieben in einer in weiten Teilen distanzierten, theoretischen und analytischen Sprache dem Geschehenen, ihrer Umwelt, ihren Mitmenschen und sich selbst gegenüber. Den wissenschaftlichen Background kann oder will Miriam Meckel mit ihrem Erfahrungsbericht nicht verleugnen.

 

Lange, sehr lange pochte da kein Herz, ich spürte Miriam Meckel nicht. Doch dann gelingt ihr, zunächst vor allem beobachtend, in Beziehung zu ihren Mitpatient*innen zu treten. Ab dem Kapitel „Inseln in mir“, in dem sie den Tod ihr nahestehender Menschen reflektiert, hat mich Miriam Meckel dann doch. Von hier an schafft sie es, persönlicher zu werden, sie beginnt, ihre Einigelei, ihr Verkapseltsein aufzubrechen, sich selbst und für andere zu öffnen und damit auch für mich als Leserin. Einher geht damit, dass sie vieles weniger wissenschaftlich auseinandernimmt und mehr den Menschen Miriam Meckel zulässt. Mit dem Zugang zu sich selbst gewinnt sie zum Ende des Buches sogar eine gewisse Leichtigkeit und Humor beim Beschreiben von Yoga und Meditation und Co 😊.

  

Empfehlenswert!


Miriam Meckel, geboren 1967, studierte Kommunikations- und Politikwissenschaft, Jura und Sinologie und promovierte über das europäische Fernsehen. Sie war Regierungssprecherin des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, später Staatssekretärin für Europa, Internationales und Medien. Seit 2005 ist sie Professorin für Corporate Communications an der Universität St. Gallen. Sie hat zahlreiche fachwissenschaftliche Publikationen zu Medienthemen veröffentlicht. 2007 erschien ihr Buch "Das Glück der Unerreichbarkeit. Wege aus der Kommunikationsfalle".


Miriam Meckel, Brief an mein Leben, Erfahrungen mit einem Burnout, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 9. Auflage, März 2019, 224 Seiten, ISBN 978 3 499 62701 9

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