Hermann Vinke zeichnet anhand des Briefwechsels die Entwicklung der Freundschaft und Liebe zwischen Sophie Scholl (1921-1943) und Fritz Hartnagel (1917-2001) in den Jahren zwischen 1937 bis 1943 nach.
Die kunstinteressierte und künstlerisch agierende Sophie Scholl wächst politisch kritisch erzogen auf. Fritz Hartnagel entscheidet sich bewusst und auch begeistert für die militärische Laufbahn, jedoch von Anbeginn mit einer Abneigung gegenüber dem Naziregime. Die Beziehung der beiden jungen Leute ist in dieser Unterschiedlichkeit und vor dem Hintergrund dieser außergewöhnlich fordernden Zeit und der Umstände geprägt von Annähern und Abstoßen, von Distanz und Nähe, jedoch von einer allzeit spürbaren Zuneigung, durch die sie gewillt sind, immer wieder aufeinander zuzugehen.
Entgegen meinen Erwartungen waren die Kommentare und das Einordnen in das Zeit- und Weltgeschehen in keinster Weise zu dokumentarisch oder versachlichend - im Gegenteil: Die Tragik der Beziehung der beiden bis hin zum bitteren Ende aller Mitglieder der Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“ wurde vielmehr durch die Erklärungen noch deutlicher. Sie machten offensichtlich, in welchen Wahnwitz Sophie Scholl und Fritz Hartnagel verwickelt waren, wie weit er in jedes einzelne Leben hineinreichte und mit welcher Willkür und Ignoranz ein Einzelner mit seiner Gefolgschaft das Geschehen in Europa gesteuert hat.
Einmal mehr wurde mir bewusst, in welch fragiler Situation wir uns in Europa durch den Einfall Russlands in die Ukraine befinden und wie dankbar wir sein können, dass die Ukrainer dem so tapfer entgegenstehen.
Sehr berührend, sehr bewegend, und, ich muss gestehen: ein unerwarteter, ungeahnter Höhepunkt dieses ausklingenden Lesejahres 2022.
Hermann Vinke, geb. 1940, arbeitete 1981-1990 als Rundfunkkorrespondent in Japan und den USA. Ab dem Jahr 2000 war er Programmdirektor Hörfunk bei Radio Bremen, bis er 2002 als Korrespondent für Osteuropa tätig wurde. Heute lebt er als freier Autor in Bremen und Berlin. Für seine Publikationen wurde er vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis.
Hermann Vinke, Hoffentlich schreibst Du recht bald, Sophie Scholl und Fritz Hartnagel, Eine Freundschaft 1937 - 1943, Ravensburger Buchverlag, 2008, 317 Seiten, ISBN 978 3 473 58282 2
Kommentar schreiben