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Andrea Abreu "So forsch, so furchtlos"


Zwei beste Freundinnen, zehnjährig. Es sind Sommerferien und da ist nicht viel los in ihrem Dorf im Norden Teneriffas, wo sie festhängen. Die Eltern sind überwiegend abwesend, da sie für die „Touris“ arbeiten. Isora – deren Mutter früh verstorben ist - erträgt das Aufwachsen bei ihrer strengen Oma aufmüpfig und motzend, die namenlose, schüchternere Ich-Erzählerin bei ihrer in ruhigeren Bahnen.


Andrea Abreu "So forsch, so furchtlos"
Andrea Abreu "So forsch, so furchtlos"

Mit einer enormen Sprachintensität fängt Andrea Abreu den vibrierenden Gemütszustand der (vor)pubertierenden Kinder ein. Deren Welt am Übergang zum Jugendalter dreht sich in diesem Sommer um ihre Körper und deren Entdeckung, ums Essen und ums Schlanksein-Wollen, um die Geschehnisse direkt vor ihren Augen – der Nachbarschaft, der Erwachsenen, der Reichen und der Touristen -, die sie auch im Spiel mit ihren Barbies nachstellen.

 

Die erzählt, orientiert sich dabei nahezu unbegrenzt an ihrer stärker und mutiger wirkenden Freundin Isora, die sie bewundert, die sie als Vorbild ansieht, der sie nacheifert – in nahezu allem - und die dennoch zum Ende der Ferien begreift, dass sie beginnen muss, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen…

 

Sprachlich und inhaltlich arbeitet mir Andrea Abreu über weite Strecken „over the top“ – die Ich-Erzählerin und Isora drücken sich derb, direkt und ungehobelt, sehr oft Ekel erregend und abstoßend aus. Die überdimensionierte Darstellung der Entdeckung der eigenen Körperöffnungen und der Selbstbefriedigung überlagern die Bilder der Sprachschätze, die in diesem Buch tatsächlich zu finden sind.

 

Mit dieser Unausgewogenheit gelingt es mir an vielen Stellen gedanklich und gefühlstechnisch nicht, den beiden Zehnjährigen zu folgen. Damit ist die Autorin sicher nah dran an ihren zwei Hauptdarstellerinnen, hält sie aber ziemlich weit weg von mir, denn aus dem Blickwinkel der Ich-Erzählerin komme ich ja als Leserin nicht raus… 

 

Irgendwie schade, doch gespannt bleibe ich dennoch, was von dieser jungen Autorin noch kommen mag…


Andrea Abreu - 1995 auf Teneriffa geboren. Vor der Veröffentlichung ihres bahnbrechenden Debüts "So forsch, so furchtlos" veröffentlichte sie ein Fanzine über Endometriose und mehrere Gedichtbände. 2021 wurde sie vom Granta Magazine zu einer der besten jungen spanischsprachigen Romanautor*innen gekürt.

 

Christiane Quandt ist Diplomübersetzerin und Lateinamerikanistin und hat Texte von Guadalupe Nettel, Roberto Bolano, Ricardo Lisias und Magela Baudoin übersetzt. Sie lebt und arbeitet in Berlin.


Andrea Abreu, So forsch, so furchtlos, Roman, Aus dem Spanischen von Christiane Quandt, Verlag Kiepenheuter & Witsch, 2. Auflage, Köln 2022, 185 Seiten, ISBN 978 3 462 00175 4

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