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Kim Young-ha "Aufzeichnungen eines Serienmörders"


Krimis – nicht so mein Ding. Nach ein paar Seiten habe ich also Kim Young-has (oder Young-ha Kims?) Roman erst einmal beiseitegelegt. Ich kenne mich doch, dachte ich.  Aber etwas an diesem siebzigjährigen Ich-Erzähler ließ mich am folgenden Tag wieder zum Buch greifen. Und ich begann noch einmal von vorn.


Kim Young-Ha "Aufzeichnungen eines Serienmörders"
Kim Young-Ha "Aufzeichnungen eines Serienmörders"

Und: Ha - welch Schachzug des Autors! Er gibt diesem alten Mann eine mehr und mehr Raum greifende Diagnose: Demenz. Außerdem: einen angenehm makaber-schwarzen Humor, einen Hang zu Klassikern und zur (auch selbst geschriebenen) Lyrik und eine adoptierte Tochter Unhi – für die er vor knapp fünfundzwanzig Jahren Verantwortung übernommen hat und deshalb das Morden ließ…

 

Sagt er.

 

Byongsu Kim versucht, seine Krankheit auszutricksen, beginnt Tagebuch zu führen, und spricht, was er nicht vergessen will, auf einen Voicerekorder.  Aber entkommt er dem Kreislauf des Vergessens? Kann er seinen eigenen Notaten und dem, was er aufs Band spricht, vertrauen? Und ergo: inwieweit kann ich dem, was er mir erzählt, Glauben schenken?

 

So versetzt mich Kim Young-ha gekonnt und überzeugend in den schwankenden, wankelmütigen Zustand seiner Hauptfigur, und so wie Byongsu Kim verwirrt ist, hält er auch mich bis zum Schluss hin.

 

Krimis – nicht so mein Ding – Überraschungen schon: das war innovativ, intelligent und schräg erzählt (danke, Bianca, für letztere Vorlage). Auch haptisch ist diese Ausgabe ein Genuss. Dank auch an die Übersetzerin Inwon Park.

  

Große Leseempfehlung.


Kim Young-ha (*1968) gilt als begnadetster koreanischer Schriftsteller seiner Generation. Er erhielt alle bedeutenden Literaturpreise seines Landes, seine Romane, Erzählungen und Essays wurden in alle Weltsprachen übersetzt. Kim, heute in Seoul zu Hause, lebte zeitweise in Kanada, den USA und Italien. Die Aufzeichnungen eines Serienmörders (2013) waren in Korea der No. 1 Bestseller in Fiction in first week of publication und das Book of the Year 2013 der Tageszeitung Dong-a Ilbo.

 

Inwon Park, Übersetzerin u. a. von Ae-ran Kims Erzählband Lauf, Vater, lauf (cass, 2014), ist Assistant Professor für Germanistik an der Ewha-Frauenuniversität in Seoul. 


Kim Young-ha, Aufzeichnungen eines Serienmörders, Roman, Aus dem Koreanischen von Inwon Park, cass verlag, Fünfte Auflage 2020, 152 Seiten, ISBN 978 3 944751 22 1

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