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Kazuo Ishiguro "Alles, was wir geben mussten"


Über die Stationen „Wir wollen einen Klassiker lesen“ und in zweiter Instanz über das Poster „99 Bücher, die man gelesen haben muss“ haben wir in unserer Instagram-Leserunde zu Kazuo Ishiguros Roman „Alles, was wir geben mussten“ gefunden.

  

Darin erzählt Kathy, sie ist Anfang 30 und arbeitet als Betreuerin von Spendern, ohne dass ich erfahre, was das genau bedeutet. Sie erinnert sich an ihre Kindheit und Jugend in den 1980er, 1990er Jahren in Hailsham, einem englischen Internat. Dort wuchs sie zusammen mit ihren besten Freunden Ruth und Thommy zwar abgeschottet von der restlichen Welt, aber dennoch ziemlich normal und glücklich auf, unter der Obhut von ‚Aufseherinnen‘ und der stillen und geheimnisvollen Führung von Madame … 


Kazuo Ishiguro "Alles, was wir geben mussten"
Kazuo Ishiguro "Alles, was wir geben mussten"

Ich möchte diese Geschichte nicht kaputt reden. Ich erkenne in hohem Maße den Sinn und die Wichtigkeit der Themen wie Klonen und Organspende an und wie sie derart utopisiert dargestellt zum Nachdenken und zum Diskurs anregen können - nämlich alle, die in Hailsham aufwuchsen, sind Kopien von Menschen und werden irgendwann wie ein Ersatzteillager ausgeschlachtet … Kathys Bestimmung ist also gleichfalls das Spenden.

 

Ich sehe zudem die erzählerische Kraft und Kompetenz Ishiguros: Das ruhige und ausführliche, sehr detailreiche Erzählen und der gleichmäßige Erzählfluss sind für mich zunächst große Stärken des Romans.  Ebenso empfand ich das häppchenweise Austeilen der Hintergrundinformationen erst einmal spannend. Es kamen aber immer wieder Phasen beim Lesen, da mich dieses breite Erzählen ohne Höhepunkte nervte und auch die minimalistisch gehaltenen Andeutungen führten erst spät zu einer, aber immer noch nicht vollständigen Aufklärung der Dinge.

 

Dieses Halbwissen stand mir schließlich im Weg, um eine Nähe zu den Figuren zu entwickeln und mich emotional mit der Geschichte zu verbinden. 

 

Irgendwie schade.


Kazuo Ishiguro wurde 1954 in Nagasaki geboren und zog im Alter von fünf Jahren mit seiner Familie nach London. Dort studierte er Englisch und Philosophie und war zunächst als Sozialarbeiter tätig. Bereits mit seinem ersten Roman Damals in Nagasaki erregte er großes Aufsehen. Heute gilt Ishiguro als einer der bedeutendsten Schriftsteller unserer Zeit. 1989 erhielt er für seinen Weltbestseller Was vom Tage übrig blieb, der von James Ivory verfilmt wurde, den Booker Prize. 2017 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Sein Werk wurde in über fünfzig Sprachen übersetzt. 2021 ist sein neuester Roman Klara und die Sonne erschienen. Kazuo Ishiguro lebt in London. 


Kazuo Ishiguro, Alles, was wir geben mussten, Roman, Aus dem Englischen von Barbara Schaden, Mit einem Nachwort von Claire Messud, Karl Blessing Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, 3. Auflage, München 03/2021, 368 Seiten, ISBN 978 3 89667 696 2

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