Katherine Mansfield (1888 bis 1923) gilt neben Virginia Woolf als eine der bekanntesten Vertreterinnen der literarischen Moderne. Der Band „Das Gartenfest“ beinhaltet fünfzehn Erzählungen, die Mansfield 1922 noch selbst zusammenstellte und deren Erfolg sie noch erlebte.
Die Hauptfiguren ihrer Erzählungen sind überwiegend Frauen. Die Erzählwelten sind meist die Lebenswelten der damaligen besseren Gesellschaft mit Dienerschaft, mit Gartenparty samt Kapelle, mit Zugfahrten in der ersten Klasse, mit Schiffsreisen oder dem Besuch von Casino und exklusivem Café.
Die Ereignisse in Titeln wie bspw. „Ihr erster Ball“, „Die Singstunde“, „Der Fremde“, „Die Töchter des Obersten Selig“ oder „Das Gartenfest“ sind eher handlungsarm, mit einem offenen, häufig abrupten Ende dargestellt und nahezu immer überschattet vom Tod oder aber von einer Wendung, die die Gefühlswelt der Protagonist*innen durcheinanderwirbelt.
Die Figuren wirken untereinander entfremdet und bleiben mir vielleicht deshalb, aber auch aufgrund ihrer Lebenswelt und -zeit, fremd. Mansfield gelingt es aber genau dann, wenn besagte Wendung, wenn der Zwischenfall eintritt, Nähe zu schaffen - dann spüre ich deutlich Empfindungen wie Scham, Aufregung, Kränkung, Eifersucht, Demütigung oder Erleichterung, die sich ein Jahrhundert übergreifend von ihren Figuren auf mich legen. In „Die Töchter des Obersten Selig“ oder „Herr Tauber und Frau Taube“ beweist Katherine Mansfield zudem ihr Talent für Witz. Mansfields Sprache kommt dabei ohne Schnickschnack aus.
Sicher sind Mansfields Geschichten und Figuren keine, die mein Leseherz im Sturm erobert haben. Sie machen mich aber, in Kombination mit dem, was ich so nebenbei bereits über die Autorin gelesen habe, neugierig auf die Person, die Schriftstellerin, die Frau dahinter. Damit bin ich gespannt auf Michaela Karls Biografie über Mansfield "Ich brauche einen Liebhaber, der mich am Denken hindert".
Katherine Mansfield, Das Gartenfest und andere Erzählungen, Aus dem Englischen von Heide Steiner, Insel Verlag, insel taschenbuch, 2. Auflage 2016, Frankfurt/Main und Leipzig, 230 Seiten, ISBN 978 3 458 339 052
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