· 

Christa Wolf "Störfall - Nachrichten eines Tages"


Christa Wolf "Störfall - Nachrichten eines Tages"
Christa Wolf "Störfall - Nachrichten eines Tages"

Atomunfälle. Störfälle. Super-Gau. Bekannt sind die zwei größten von Fukushima 2011 und von Tschernobyl 1986. Mit letzterem beschäftigt sich Christa Wolf in ihrem Buch „Störfall – Nachrichten eines Tages“.

 

Der Reaktorunfall in dem Atomkraftwerk in der Nähe von Kiew am 26. April 1986 fällt auf den Tag, an dem auch die Gehirnoperation des Bruders angesetzt ist. Die Ich-Erzählerin bangt um den Verlauf des ärztlichen Eingriffs und ist gleichzeitig den (Radio)-Nachrichten rund um die Katastrophe ausgesetzt. Kein Tag, den frau einfach mal so weglebt.

 

Sie schafft sich darum ein „Ich zum Zwecke des Nachdenkens“ – ansonsten vielleicht sind die Ängste, die Unsicherheiten dieses Tages nicht auszuhalten, die in der einen Richtung von der großen Bedrohung durch den Störfall ausgelöst werden und in der anderen, im persönlichen Bereich durch das Warten auf den Ausgang der OP des Bruders. 

 

Zwischen den Gedanken, zwischen den Nachrichten, zwischen den möglicherweise eintretenden unvorstellbaren Konsequenzen, die mit dem einen wie mit dem anderen Vorfall verbunden sein könnten, versucht dieser Tag trotzdem auch für die Erzählerin irgendwie seinen alltäglichen Gang zu gehen…


„… auch wenn ich es schon längst gewusst habe, dass jede Haut reißen und aus den Rissen die Ungeheuer quellen können.“ (S. 85)

Andere Zwischenfälle sind nicht selten. Auch deshalb, nicht zu vergessen, ein immer aktueller Text.

 

Auch so aktuell, weil er aufzeigt, wie verantwortlich der Mensch ist für das, was er aus seinen Erfindungen macht, wie schließlich ausgeliefert wir dem technischen Fortschritt sind, den wir nur scheinbar beherrschen, und wie vulnerabel dieses gesamte technische System ist. Und damit wir. Und: so aktuell, weil, was hier als Unfall passiert, unbegreifbar in der Dimension wird, wenn bewusst als Waffe eingesetzt.

 

Wolfs Schreibe bleibt auch hier keine für mich, die sich einfach so weglesen lässt. Sie fordert vielmehr auf zum langsamen und aufmerksamen Lesen, zum Hineinbegeben in fast jedes Wort, jeden Nebensatz - alles ist mit Ernst und überlegt und klug gesetzt. Manche Sätze sind mir dennoch zu verschwurbelt, manches Mal unangenehm von Partizipien durchsetzt. Wie schön dann aber wieder, wenn die Autorin so behutsam und trotz der Bedrohlichkeit des Tages den Blick auf dessen Schönheit lenkt.

 

Christa Wolf bleibt für mich eine Autorin, die deshalb jederzeit zu lesen ist!

  

Punkt. 

 

P. S. Hier auch von mir rezensiert: Christa Wolfs "Nachdenken über Christa T." und von ihrer Enkelin Jana Simon "Sei dennoch unverzagt / Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf".


Christa Wolf, Störfall - Nachrichten eines Tages, Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1987, 118 Seiten, ISBN 3 351 00878 3

Kommentar schreiben

Kommentare: 0