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Antonio Iturbe "Die Bibliothekarin von Auschwitz"


Wie erträgst du das alles? Wieviel hältst du nur aus? Was machen diese extremsten Erlebnisse mit dir? Wie benutzt du Macht? Wieso schikanierst du andere? Warum denkst du eigentlich, du bist was Besseres? Wie gelingt es dir, dein Gewissen auszuschalten? Wie kannst du wegsehen? Wie konntest du so werden? Wie erträgst du das alles?


Antonio Iturbe "Die Bibliothekarin von Auschwitz"
Antonio Iturbe "Die Bibliothekarin von Auschwitz"

Antonio Iturbe erzählt in „Die Bibliothekarin von Auschwitz“ die Jugend der 1929 geborenen Jüdin Edita Polachova (verh. Kraus), die nach einer unbeschwerten Kindheit in Prag 14jährig von den Nazis erst nach Theresienstadt, dann nach Auschwitz und schließlich nach Bergen-Belsen - ja - „verfrachtet“ wird.

 

Eine Jugend in Konzentrationslagern, eine Jugend mitten im Grauen und der Gräuel, die sich andere „Menschen“ ausgedacht haben. Eine Jugend mitten in und abhängig von einer unfassbaren gnadenlosen Maschinerie, die mit einer perfiden Effizenz arbeitet und eingesetzt wird und durch die Abertausende, Millionen getötet wurden.

 

Beim Lesen hat mich immer wieder überrascht, dass unter diesen Bedingungen trotzdem auch hier so etwas wie Alltag funktioniert. Für die Kinder in Auschwitz beispielsweise durch die inoffizielle Schule mit dem Leiter des Familienlagers Fredy (Alfred) Hirsch, unter dessen Fittichen (heißt übrigens Flügel, Schwingen … 😊) Dita zur Bibliothekarin wird. Eine Aufgabe, die, wenn entdeckt, ihren Tod bedeutet hätte. Acht Bücher jedoch und die Inhalte und Geschichten darin werden für Dita selbst und für viele andere Mitgefangene Zuflucht und schenken zumindest kurzfristig die so wichtige lebenserhaltende Ablenkung und Kraft und Hoffnung.  

 

Berührend und ohne die Leser*innen zu schonen, setzt Antonio Iturbe der inzwischen fast 93jährigen Dita Kraus und anderen Mithäftlingen um sie herum ein Denkmal. Immer weniger von ihnen können uns live berichten und uns erinnern, wozu Menschen fähig sind und was andere aushalten müssen.

 

Bücher wie dieses und wie „schuld bewusstsein“ von Sonja Weichand oder „Im Frühling sterben“ von Ralf Rothmann (und so viele andere) tragen unmissverständlich die Frage in sich: Warum passiert so was? Warum wiederholt es sich?

 

Nicht aufhören dies aufzuschreiben und bitte: lesen!


Antonio Iturbe wuchs in Barcelona auf und hat zahlreiche Bücher verfasst. Als Kulturjournalist arbeitete er für El Periódico und El País und unterrichtete an Universitäten in Barcelona und Madrid. In "Die Bibliothekarin von Auschwitz" erzählt Iturbe die Geschichte der Holocaust-Überlebenden Dita Kraus, mit er viele Interviews führe. Der Roman wurde zum international gefeierten Erfolg (aus dem Buch).


Antonio Iturbe, Die Bibliothekarin von Auschwitz, Roman nach einer wahren Geschichte, Aus dem Spanischen von Karin Will, Piper Verlag, 2. Auflage Februar 2022, 484 Seiten, ISBN 978 3 492 31753 5

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