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Arezu Weitholz "Beinahe Alaska"


Zwei grundschlechte Dinge vornweg:

 

1. Ich darf keine Bücher mehr abends vor dem Schlafengehen im Bett liegend beginnen. Müde, wie ich dann bin, finde ich keinen Zugang…, so wie auch bei diesem. Ich so zu Anfang: Was haben die nur alle mit dem Buch? 

 

2. Nach Doris Dörries Reiseerlebnissen und -reflexionen in „Die Heldin reist“ begleitete ich nun eine alleinstehende und allein reisende Fotografin, Mitte 40, auf eine Kreuzfahrt von Grönland nach Alaska. Es ist eine Auftragsreise ihres Verlages. Eine Kreuzfahrt! Geht ja gar nicht...


Eine Reise war kein Restaurant, in dem man bestellen konnte: Ich hätte gerne einmal Wandern, zwei Eisberge, ein bisschen Nebel, Pfannkucheneis und zum Nachtisch einen doppelten Schrecken. (S. 138)

Arezu Weitholz "Beinahe Alaska" (an Anker!)
Arezu Weitholz "Beinahe Alaska" (an Anker!)

Aber, aber, aber --- ich lese ja nicht nur abends, sondern auch tags --- so nämlich: 

 

Die Beobachtungen der Fotografin ihrer so ichbezogenen Mitreisenden amüsierten mich, denn sie waren durchzogen mit einem feinen zynischen Humor und einem angenehmen, dennoch manchmal auch besserwisserischen Sarkasmus. Ich spürte die Kraft der Natur und des Wetters. Ich sehnte mich mehr und mehr nach dem Weglassen, dem Minimalismus, den diese Reise ausstrahlte. Es faszinierten mich dieses „Weit-Weg-Sein von allem und allen“ und das damit verbundene Zurückwerfen auf einen selbst.

 

Schließlich war dann dieser Moment des Umkehrens kurz vor dem Ziel:

Ich hatte das Gefühl, jetzt erst begann die Reise. (S. 117)

Jetzt schlich sich noch der Moment des „Alles-Auf-Sich-Zukommen-Lassens“ ein, auch für die Erzählerin. Dann ist es eben so. Dann bin ich eben so. Punkt.

 

Und ich? Ich schlitterte mehr und mehr in dieses Buch voller Meer und Himmel und Wind und Steine und Dunkelheit und Eis und Kälte... Ich versank immer intensiver in dem Nebel und der Dichte des Erzählten und des Berichtes und der schönen Bilder.

 

Glaubt’s mir: Es ist ein hundertprozentig empfehlenswertes Buch!

 

Bücher abends im Bett beginnen werde ich trotzdem wieder 😊 und, wer weiß, vielleicht auch auf eine Beinahe-Alaska-Kreuzfahrt gehen?


Arezu Weitholz, 1968 bei Hannover geboren, ist Autorin, Illustratorin, Journalistin und Songtexterin, u. a. für Herbert Grönemeyer, Die Toten Hosen, Udo Lindenberg und 2raumwohnung. Sie schreibt Romane und Fischgedichte und lebt in Berlin. Für "Beinahe Alaska" wurde sie mit dem Hans-Fallada-Preis der Stadt Neumünster 2022 ausgezeichnet.


Arezu Weitholz, Beinahe Alaska, Wilhelm Goldmann Verlag, 1. Auflage München 2022, 186 Seiten, ISBN 978 3 442 49263 3

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