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Wolf Haas "Junger Mann"


Wolf Haas "Junger Mann"
Wolf Haas "Junger Mann"

Ölkrise, autofreie Tage, Energieferien - mit Wolf Haas‘ „Junger Mann“ bin ich in den österreichischen 1970ern gelandet, in denen der namenlose 13jährige „auf der Tankstelle“ jobbt. Er bearbeitet gerade die zugefrorene Frontscheibe eines Kundenautos, als er sich in die junge Frau verliebt, die ihm da beim Freikratzen erscheint - Elsa. Doch die ist verheiratet mit Tscho. Das hält ihn nicht davon ab, die Nähe der Angebeteten zu suchen - wenn er, wie er findet, nicht etwas zu dick wäre. 93 Kilo zeigt die Waage an - wegen einiger Beinbrüche in der Kindheit und damit einhergehender, erzwungener, zeitlich umfänglicher Ruhephasen. Also beschließt er: Abnehmen! 

 

Mit zunehmender Kalorienzählerei wird die mir sympathische Zahlenaffinität des jungen Mannes immer deutlicher, und je mehr Kilo er verliert, umso näher kommt er Tschos Angetrauter (was nicht unbedingt damit zu tun hat, aber irgendwie schon, wenn Ihr wisst, was ich meine!). In keinster Weise in erotischer Hinsicht - auch wenn diese Sehnsucht in ihm erwacht und Elsa diese durchaus flirttechnisch befeuert. Aber Elsa will, dass er ihr Englisch beibringt - Zeit hat sie ja, denn der Tscho ist ja als Fernfahrer viel unterwegs, in Teheran und Griechenland und so.


Nie kann man so gut neben wem sitzen und nichts reden. (S. 195)

Die Annäherung an Elsa und den Reifeprozess des Jungen zum jungen Mann in Wolf Haas` Roman lesend zu begleiten war mir eine große Freude. Dass sich die Beziehung zu Elsa zu einem Fernfahrer-Roadtrip mit Tscho und dem jungen Mann wandelt, war überraschend und enttäuschte mich zunächst, da er mit der Entfernung von Elsa und auch mit einigen Leselängen behaftet war, aber ebenso mit geschliffenen und unterhaltsamen Dialogen oder Nicht-Dialogen zwischen den beiden Männern.

 

Trotz meines zeitweisen Lesetiefs überzeugte mich durchgehend die Art Humor, die Haas in seine Hauptfigur als Ich-Erzähler legt - so angenehm witzig, mit einer ganz speziellen Situationskomik - ich liebte es - und sie trug mich auch über das Tief hinweg - mit genialen Sprachbildern und in einer jugendlichen, österreichischen oder sonst wie zu bezeichnenden Umgangssprache (würde der Roman in Österreichs Hauptstadt spielen, würde ich schreiben im „Wiener Schmäh“).

 

Das Zu-Ende-Lesen hat sich dann und wieder einmal absolut gelohnt.

 

Geeeh! Prüft’s nach!

 

P. S. Hier in meinem Blog gibt es auch meine Meinung zu Wolf Haas' "Verteidigung der Missionarsstellung".


Wolf Haas wurde 1960 in Maria Alm am Steinernen Meer geboren. Seine Brenner-Krimis erschienen ab 1996 in acht Bänden, zuletzt Brennerova (2014). Der Roman Das Wetter vor 15 Jahren erschien 2006, Verteidigung der Missionarsstellung 2012 bei Hoffmann und Campe. Wolf Haas lebt in Wien.


Wolf Haas, Junger Mann, Roman, Hoffmann und Campe Verlag, 1. Auflage 2018, 238 Seiten, ISBN 978 3 455 00388 8

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