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Ernest Hemingway "Der alte Mann und das Meer"


In dieser weltberühmten Novelle, die 1952 veröffentlicht wurde, fährt der alte Mann nach 84 erfolglosen Tagen des Fischens allein aufs Meer hinaus. Doch heute wird er fangen! Der Fisch ist riesig, achtzehn Fuß soll er lang sein (so wird er nach der Rückkehr des Mannes vermessen, das sind knapp fünfeinhalb Meter!), jedoch kann der alte Mann ihn überwältigen und ihn sogar an seinem Boot festzurren… Der Kampf scheint gewonnen, doch nun kommen die Haie. 

 

Mein Lesen dieser gerade einmal 124 Seiten war ein langsames, gleichsam schien es runtergefahren und angepasst an die Gleichmütigkeit des Lebens des Fischers und seines Kumpans, des Jungen, das sich um die Dinge des Fischens dreht, viel mehr nicht, da an der Küste vor Havanna.


Er blickte über das Meer und wusste, wie allein er jetzt war. (S. 58)

Ernest Hemingway "Der alte Mann und das Meer"
Ernest Hemingway "Der alte Mann und das Meer"

Ja, der Mann ist alt. Er fährt raus, aufs Meer, immer weiter, viel zu weit, für sein ihm wohl geläufiges Vorhaben ist er ziemlich schlecht ausgerüstet. Er ist allein, sehnt sich den Jungen als Begleiter und Helfer herbei. Er hat kaum Wasser mitgenommen, kein Essen. Er isst Beifang. Er will unbedingt diesen Kerl von Fisch überwältigen, den er respektiert, wie er behauptet, wie einen Bruder. Dass er diesen Riesen dennoch tötet und was das nach sich zieht, daran denkt er nicht. Seine Hände und der Rücken sind geschunden und schmerzen, sein Kopf schwirrt, dennoch macht er weiter. Der erste Hai kommt, die Blutspur wird immer größer - er behält ihn. Er ist eben ein Mann und „…ich werde ihm zeigen, was ein Mann tun kann und was ein Mann aushält.“ (S. 63)

 

Der alte Mann kann nur sein Leben als Fischer leben und muss mit den Konsequenzen seiner Entscheidungen klarkommen. Und wenn er immer wieder in Gedanken an den von ihm so bewunderten Joe DiMaggio (berühmter Baseballspieler jener Zeit) abschweift, dann will er, so scheint es, wie dieser auch sein Werk vollenden, Großes vollbringen, egal wie.

 

Ich mag Hemingways Art zu schreiben, die klare Sprache, den ruhigen, auf die Hauptfigur fokussierten Erzählton, die Stringenz und Selbstverständlichkeit des Erzählten, das Unaufgeregte, selbst dann, wenn es wie hier in die Auseinandersetzung Mensch/Tier, ans Existentielle geht.

 

Der Fisch- und Seekram langweilt mich aber, die martialischen Handlungen des alten Mannes sind mir mehr und mehr zuwider - siebzig Jahre nach Erscheinen der Erzählung ist mein Blick auf diesen Klassiker angesichts der testosterongeschwängerten Darstellung  getrübt und hält die Begeisterung beim Reread eher auf einem durchwachsenen Level.

 

Versteht Ihr?

 

P.S. Hier im Blog auch meine Rezension zu "Der Garten Eden"


Ernest Hemingway, der als Sohn eines Arztes am 21. Juli 1899 in Oak Park/Illinois geborene Nobelpreisträger der amerikanischen Literatur, war ein Meister des metaphysischen Realismus, ein Pionier der Kurzgeschichte und Erneuerer des amerikanischen Romans. 1917 wurde er Reporter an einer Lokalzeitung in Kansas City. 1918 ging er mit einer Rote-Kreuz-Kolonne an die italienische Front und wurde verwundet. 1921 schickte ihn der "Toronto Star" als Sonderkorrespondenten in den Nahen Osten und nach Europa. Dann verbrachte Hemingway fünf Jahre in Paris. Schon sein erster Roman "Fiesta" (1928) erregte literarisches Aufsehen. Wiederholt führten ihn Reisen nach Europa und zur Großwildjagd in die Dschungel Afrikas. Im spanischen Bürgerkrieg war er Korrespondent auf der Seite der Republikaner. 1944 flog er nach England und trat in die Royal Air Force ein. 1954 stürzte er zweimal mit dem Flugzeug ab. Hemingway schied nach schwerer Krankheit am 2. Juli 1961 freiwillig aus dem Leben.


Ernest Hemingway, Der alte Mann und das Meer, übersetzt aus dem Amerikanischen von Annemarie Horschitz-Horst, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 778.-792. Tausend September 1989, 124 Seiten, 580-ISBN 3 499 10328 1

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