· 

Iris Wolff "So tun, als ob es regnet"


 „So tun, als ob es regnet“, wie schön, wie genial der Titel, irgendwie scheine ich eine gewisse Affinität für wohlklingende Buchtitel zu haben, wie auch schon mit ausschlaggebend für die Lektüre beispielsweise bei Birgit Birnbachers „Ich an meiner Seite“ oder auch Olga Grjasnowas „Der Russe ist einer, der Birken liebt“. Kennt ihr das bei Euch auch, dass der Titel Euch zum Lesen eines Buches bewegt?

 

Nun, was macht der vom Autor, von der Autorin noch so bestgewählte Titel, wenn nichts dahintersteht. Der Name, der Titel: Schall und Rauch?!


Iris Wolff "So tun, als ob es regnet"
Iris Wolff "So tun, als ob es regnet"

Ich hatte tatsächlich kleine Anlaufschwierigkeiten, die ersten Seiten waren für mich etwas holprig zu lesen, als ich Jacob als Soldat in sein Erleben während des ersten Weltkrieges folgte. Rasch jedoch, sehr rasch glätteten sich die lesetechnischen Unebenheiten.

 

Immer mehr schob sich Iris Wolffs poetische Sprache in den Vordergrund, erzeugte wunderschöne Bilder und riss mich aus meinen Alltagsgedanken in die vier scheinbar einzelnen Erzählungen, die sich jedoch klug zu einem Roman fügen.

 

Auch weil es der Wolffschen ausdrucksstarken Sprache gelingt, ihre Geschichten und Figuren gleichzeitig kraftvoll und dennoch leise und zerbrechlich zu begleiten und durch eine starke Persönlichkeit zu verbinden.

 

Das ist Henriette, sie erleben wir in vier Lebensetappen: in der ersten gerade gezeugt, in der zweiten als Kind, in der dritten als Mutter und freie Frau und schließlich in der letzten als Großmutter. Ein Mensch, eine Menschengeschichte eingebettet in die sie begleitenden vor- oder nachkommenden Generationen und Familienmitglieder und in die Historie der siebenbürgischen Sachsen. Und auch wenn Henriette die zentrale starke Figur der vier Erzählungen ist, wird sie nie die dominante Hauptfigur, sondern lässt anderen immer wieder den Vortritt. Das ist es, was für mich diesen Roman so rund macht (wie der symbolträchtige Ring, den Henriette an ihre Enkeltochter Hedda weiterreicht, dies so nebenbei…)

 

So wird „So tun, also ob es regnet“ für mich die (Geburtstags-)Leseüberraschung zum Ende des Jahres 2021, die mir gleichzeitig einen gespannt neugierigen Ausblick gibt auf den ebenso genial gewählten Longlist-2020-Titel „Die Unschärfe der Welt“, mit dem ich schon länger liebäugele 😊.

 

Auch dieses Mal wieder nix mit einem Schall-und-Rauch-Titel, vielmehr: Nomen es Omen. 


Aus der Klappe: Iris Wolff, geboren 1977 in Hermannstadt/Siebenbürgen, Studium der Germanistik, Religionswissenschaft und Grafik und Malerei in Marburg an der Lahn. Langjährige Mitarbeiterin des Deutschen Literaturarchivs Marbach. 2013 Stipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg, 2014 Ernst-Habermann-Preis, 2018 Stipendium des Landes Baden-Württemberg, Otto-Stoessl-Preis und Literaturpreis ALPHA, 2019 Stipendium im Künstlerhaus Edenkoben, Mitglied im Internationalen PEN. Im Otto Müller Verlag erschienen: Halber Stein (2012), Leuchtende Schatten (2015).


Iris Wolff, So tun, als ob es regnet, Otto Müller Verlag Salzburg-Wien, 6. Auflage 2020, 166 Seiten, 978 3 7013 1250 4

Kommentar schreiben

Kommentare: 0